Das Entsperren des Mobiltelefons mithilfe einer biometrischen Methode wie Face-ID oder Touch-ID ist längst gängige Praxis. Praktisch sind diese Funktionen: Zumeist reicht ein kurzer Griff auf den Fingerabdrucksensor oder ein Blick in die Frontkamera des Geräts aus, ohne zunächst fehlerfrei einen Code eingeben zu müssen. Sicherheit vor polizeilichen Zugriff auf eure Daten geben diese Funktionen euch aber nicht.
Fragwürdige Gerichtsentscheidung
In einem Einzelfall hat das Landgericht Ravensburg entschieden, dass die Polizei ein Smartphone mit dem gegen den Willen des Verdächtigen genommenen Fingerabdruck entsperren darf. In dem betreffenden Fall geht es um den Verdacht auf Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Gegenüber der Polizei weigerte sich der Beschuldigte, sein Handy selbst per Fingerabdruck zu entsperren – diese vermuteten näheren Informationen zu dem vorgeworfenen Delikt auf dem Gerät vorzufinden. Der zuständige Ermittlungsrichter am Amtsgericht ordnete daraufhin an, dass die Polizei nach § 81b Abs. 1 StPO Fingerabdrücke abzunehmen und diese für die Entsperrung des Smartphones zu verwenden habe. Nun bestätigt das Landgericht in zweiter Instanz das Vorgehen der Ermittlungsbehörden.
Ob sich diese Rechtsauffassung wird durchsetzen können, bleibt fraglich. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass nun bundesweit Strafverfolgungsbehörden unter Berufung auf die Ravensburger Entscheidung versuchen werden, über Fingerabdrücke an Handydaten zu gelangen.
Den Beschluss des Landgericht Ravensburg findet ihr hier: https://www.burhoff.de/asp_weitere_beschluesse/inhalte/7646.htm
Angriff auf die Grundrechte
Expert*innen schlagen aufgrund der Gerichtsentscheidung Alarm. Biometrische Daten zu erzwingen und zur Informationsbeschaffung zu verwenden, ist als massiver Angriff auf unsere Grundrechte zu sehen. Dieses Vorgehen reiht sich jedoch in eine Entwicklung der letzten Jahre ein, während der Polizeien durch Änderungen der Strafprozessordnung und der Polizeigesetze immer mehr Befugnisse bekommen hat, um Bürger:innen zu überwachen. Wie schon häufig geschehen, ist damit zu rechnen, dass Fußballfans wieder einmal zu den ersten gehören, die diese neuen Polizeimaßnahmen zu spüren bekommen.
Wie könnt ihr euch schützen?
Wer die Daten auf seinem Handy vor polizeilichem Zugriff schützen will, sollte grundsätzlich weder Face-ID noch Touch-ID nutzen. Vergleichsweise sicher sind Kombinationen aus Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen als Passwort oder mindestens 8-stellige PINs. Ein Passwort oder ein Entsperrungsmuster muss man in Deutschland bislang nicht herausgeben. So schützt ihr euch selbst und andere damit. Gebt diese Info auch Freund*innen, Familie und anderen euch nahestehenden Personen!
Wer absolut nicht auf Face-ID oder-Touch ID verzichten möchte, sollte zumindest wissen, wie sich diese Funktion am eigenen Smartphone in Sekundenschnelle – z. B. bei akut drohendem Polizeizugriff – vorübergehend abstellen lässt, so dass einmalig die PIN bzw. das Passwort oder Entsperrmuster eingegeben werden muss. Das geht bei den meisten Geräten so, probiert es einfach mal aus:
Android: Ein/Aus-Taste einige Sekunden lang gedrückt halten, danach auf „Sperren“ tippen.
iPhone: Ein/Aus-Taste und eine der Lautstärke-Tasten gleichzeitig ca. zwei Sekunden gedrückt halten. (Alternativ: Ein/Aus-Taste fünfmal hintereinander kurz drücken.)
Pro-Tipp: 1312 ist kein sicherer Code und schadet am Ende nicht nur euch, sondern auch eurem Umfeld. Ist das Handy einmal entsperrt, gibt es der Polizei häufig auch Einblick und Zugriff darauf, wie ihr vernetzt seid, wen ihr wie eingespeichert habt oder wie Personen sich in sozialen Medien selbst nennen. Gilt natürlich auch für 1899 oder für irgendwelche Geburtsdaten.
Weitere Informationen findet ihr unter den folgenden Links: