Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine

Anlässlich der Wahl der Bremischen Bürgerschaft haben wir den in der Bürgerschaft vertretenen Parteien SPD, CDU, FDP, Grüne und Die Linke einen Fragenkatalog (Wahlprüfsteine) zum Thema Fan- und Freiheitsrechte zukommen lassen. Von der SPD, den Grünen und der Partei Die Linke haben wir eine Antwort erhalten. CDU und FDP haben uns weder eine Antwort noch eine Rückmeldung auf die Anfrage gegeben.

Die Antworten und eine Bewertung unserseits findet ihr untenstehend. Wir haben uns dabei für 4 Bewertungskategorien entschieden (3, 2, 1, 0 Pkt.). Pro Antwort wurden maximal 3 Punkte vergeben. Die schlechteste Antwortbewertung bekam entsprechend 0 Punkte. Die Punktzahl, die wir für die jeweilige Antwort der Partei vergeben haben, findet ihr nach der Antwort in den Klammen, z.B. (3).

Und nochmal der Hinweis: Der SV Werder spielt am Wahlsonntag in Leipzig. Es empfiehlt sich also frühzeitig zu wählen.

Antworten der Parteien

1. Regelmäßig zu Werder-Heimspielen erlässt das Ordnungsamt eine Allgemeinverfügung, welche u.a. ein sogenanntes „Fanmarschverbot“ beinhaltet. Wie steht Ihre Partei zu diesen „Fanmarschverboten“ und der damit verbundenen eingeschränkten Bewegungsfreiheit von Bürger:innen?

Linke: DIE LINKE ist gegen das Verbot von Fanmärschen. Fanmärsche müssen mit den Interessen Dritter (beispielsweise der Funktionsfähigkeit der BSAG) in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden, dies ist aber ohne Verbote aus unserer Sicht unproblematisch möglich. (3)

SPD: Ein Fanmarschverbot durch Allgemeinverfügung wird nur dann erlassen, wenn vor dem jeweiligen Spieltag die aktuelle Risikobewertung der anstehenden Begegnung ergibt, dass ein Verbot zur Verhinderung von Gewalt notwendig ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird dabei selbstverständlich beachtet. Wir verfolgen das Ziel, Gewalt wegen des Aufeinandertreffens verfeindeter Fangruppierungen zu verhindern – insbesondere in dem auch von anderen Besucher*innen stark frequentierten Bremer Viertel. Die grundgesetzlich garantierte Versammlungsfreiheit gilt für friedliche Zusammenkünfte, so dass in diesem Rahmen spontane Aufzüge von Fans, die gemeinsam zum Stadion gehen möchten, weiter möglich sind. (1)

Grüne: Fanmärsche sind ein wichtiger Bestandteil lebendiger Fankultur. In der laufenden Saison haben sowohl die Gästefans (u. a. Stuttgart, Wolfsburg, Dortmund) als auch die Werder-Fans (zuletzt besonders eindrucksvoll in Berlin) mehrmals bewiesen, dass Fanmärsche in aller Regel völlig friedlich verlaufen. Für ein regelmäßiges Verbot von Fanmärschen sehen wir daher überhaupt keinen Grund. Nur in extrem seltenen Fällen, wenn tatsächlich die konkrete Gefahr von Ausschreitungen besteht, kann ein Fanmarschverbot ausnahmsweise gerechtfertigt sein. (3)

2. Taser sind potentiell tödliche Waffen und werden deshalb von Menschenrechtsorganisationen abgelehnt. Was halten Sie von der Forderung, Taser in den alltäglichen Streifendienst der Polizei einzuführen und ggf. auch für Großereignisse wie bspw. Fußballspiele als Einsatzmittel in Betracht zu ziehen?

Linke: Wir haben uns in dieser Legislatur konsequent gegen die Einführung von Tasern beim Streifendienst gestellt, deshalb sind Taser in Bremen bislang nur bei den Spezialkräften im Einsatz, die mit diesen Waffen aber auch täglich trainieren können. Für uns LINKE ist aus dem Feldversuch bei der Ortspolizei Bremerhaven und den Erfahrungen der letzten Jahre in Deutschland belegt: Die hohen Risiken sind den geringen Nutzen nicht wert. Wir stellen uns daher weiter mit aller Konsequenz gegen die Ausweitung dieser gefährlichen Waffe auf den Streifendienst. (3)

SPD: Wir treten dafür ein, dass die Verfügbarkeit des Distanzelektroimpulsgeräts unter strengen rechtlichen Voraussetzungen auf den gesamten Einsatzdienst der Polizei Bremen und Bremerhaven ausgeweitet wird. In Bremerhaven gibt es hierzu positive Einsatzerfahrungen, die wissenschaftlich aufgearbeitet wurden. Wir sind überzeugt von der deeskalierenden und abschreckenden Wirkung des Distanzelektroimpulsgeräts. (0)

Grüne: Wir stehen für ein klares „Nein“ zum Einsatz des Tasers für den Streifendienst. Für den Einsatz in geschlossenen Einheiten bei Großereignissen steht der Taser glücklicherweise gar nicht zur Debatte, da er auch nach Einschätzung der Polizei in dynamischen und/oder unübersichtlichen Situationen kein geeignetes Einsatzmittel darstellt. (3)

3. Adressat*innen von sozialpädagogischen Fanprojekten geraten nicht selten in Konflikte mit der Strafverfolgung. Vertrauensschutz ist zur Arbeitserfüllung jedoch unerlässlich. Berufsverbände fordern deshalb ein Zeugnisverweigungsrecht für Sozialarbeiter:innen. Wie stehen Sie zu dieser Forderung?

Linke: Viele Sozialarbeiter*innen berichten uns immer wieder, wie essenziell diese Frage für ihren Berufsalltag ist: Kein*E Sozialarbeiter*in darf gezwungen oder gedrängt werden, gegen ihre eigenen Klient*innen mit der Polizei zu kooperieren oder gar gegen Menschen aus den Fanprojekt-Zusammenhängen auszusagen. Um die professionelle Arbeit der Sozialarbeiter*innen nicht zu gefährden, sind wir unbedingt für ein solches Zeugnisverweigerungsrecht in der Strafprozessordnung. (3)

SPD: Sozialarbeiter*innen gehören als solche nicht zu dem Personenkreis, dem in § 53 StPO ein berufsbezogenes Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt wird. Uns ist es wichtig, für unsere Fachkräfte im Bereich der sozialen Arbeit die Strukturen zu schaffen, die sie für die professionelle Berufsausübung benötigen. Es ist schwierig, ein belastbares Vertrauensverhältnis zwischen Sozialarbeiter*innen und Adressat*innen zu erreichen, wenn Betroffene damit rechnen müssen, dass intime Äußerungen ggf. vor Gericht landen könnten. Gleichzeitig erschwert die Ausdehnung des Zeugnisverweigerungsrechts auf weitere Personengruppen die gerichtliche Entscheidungsfindung – es bedarf also bzgl. eines Zeugnisverweigerungsrechts für Sozialarbeiter*innen der sorgfältigen Abwägung, die den Anforderungen des BVerfG an das Interesse an möglichst vollständige Wahrheitsfindung im Strafprozess gerecht wird. Wir setzen uns daher auf Bundesebene für eine umfassende Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten ein. (1)

Grüne: Wir unterstützen mit Nachdruck die Forderung nach einem Zeugnisverweigerungsrecht für Beschäftigte in der Sozialen Arbeit. Dies muss insbesondere für Beschäftigte der im öffentlichen Auftrag tätigen Fanprojekte gelten. Denn Basis für eine erfolgreiche Fanarbeit ist ein durch intensive Beziehungsarbeit aufgebautes Vertrauensverhältnis zu den jungen Fans.
Bis eine entsprechende Änderung der Strafprozessordnung auf Bundesebene erreicht ist, setzen wir uns vor Ort im Land Bremen dafür ein, dass Polizei und Staatsanwaltschaft dem Grundsatz des Vertrauensschutzes im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Rechnung tragen. Es muss durch einschränkende Vorgaben und organisatorische Maßnahmen, wie z. B. einem Zustimmungsvorbehalt der Behördenleitung für Zeugenvorladungen, sichergestellt sein, dass bremische Strafverfolgungsbehörden die wichtige und von der Stadtgemeinde Bremen mitfinanzierte Arbeit des Fan-Projekts nicht konterkarieren. (3)

4. Bremen stellt als bisher einziges Bundesland Polizeikosten für Großveranstaltungen beim Veranstalter in Rechnung. Wie bewertet Ihre Partei diese Entscheidung?

Linke: DIE LINKE hat diese Regelung seit ihrer Einführung immer wieder scharf kritisiert. Unternehmen wie etwa RWE werden auch nicht an den Kosten der Polizeieinsätze wie in Lützerath beteiligt. Zur Finanzierung des Personals im öffentlichen Dienst erhebt der Staat Steuern (die auch für die Profivereine bzw. die DFL im Zusammenhang mit der Körperschaftssteuer in der Vergangenheit immer wieder gesenkt worden sind), Gebühren sind für solche Zwecke grundsätzlich nicht gedacht. Außerdem besteht im jetzigen Konstrukt die Gefahr, übermäßig viele Partien zu „Risikospielen“ zu deklarieren, um so die Rechnungen schreiben zu können. Deshalb lehnen wir dieses Instrument nach wie vor ab. (3)

SPD: Das Bundesverwaltungsgericht hat im letzten Jahr bestätigt, dass der besondere Polizeiaufwand bei Hochrisikospielen als Gebühr den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden darf. Als SPD sehen wir diejenigen, die zum Zweck der Gewinnerzielung die staatlichen Sicherheitsvorsorge in Anspruch nehmen, in der Pflicht. Dies ist bei Bundesligaspielen angesichts der hohen Einnahmen und Gewinne der Fall. Insbesondere Hochrisikospiele kosten den Steuerzahler nicht nur in Bremen viel Geld. Als SPD würden wir eine länderübergreifende Fondslösung begrüßen, bei der es statt einzelner Gebührenbescheide vom Veranstalter einen gemeinsamen Topf für die von Hochrisikospielen betroffenen Ländern gibt. (0)

Grüne: Die Beteiligung an den zusätzlichen Polizeikosten bei Hochrisikospielen ist auf Initiative des Innensenators beschlossen worden. Wir Grüne haben diese Entscheidung mitgetragen, weil wir es angesichts der völlig ausgeuferten Kommerzialisierung des Profifußballs für vertretbar halten, dass die DFL einen Teil der Kosten mitträgt und eben nicht nur die Steuerzahlenden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens bestätigt und dabei ausdrücklich betont, dass sowohl die von der Polizei anzustellende Gefahrenprognose als auch die Erforderlichkeit der Größe des Polizeieinsatzes einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung unterliegen.
Auf Dauer nicht für hinnehmbar halten wir aber den Umstand, dass der SV Werder einen Wettbewerbsnachteil hat, weil die DFL die Kosten an den Verein weiterreicht. Daher muss es dem Innensenator bzw. dessen Nachfolger*in spätestens nach einer endgültigen Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht gelingen, eine möglichst bundesweite Verständigung, z. B. in Form einer Fondslösung, zu erzielen. (1)

5. Sehen Sie Videoüberwachung des öffentlichen/teilöffentlichen Raums als ein sinnvolles kriminalpräventives Instrument an? Plädieren Sie in diesem Zusammenhang für eine weitere Nutzung der technischen Möglichkeiten (automatischen Speicherung/Wiederkennung) von biometrischen Daten?

Linke: Die präventive Wirkung von Kameraüberwachung ist nicht belegt und nur in bestimmten Fällen begrenzt wirksam. Wir sehe daher in der Kameraüberwachung keine geeignete präventive Maßnahme. Die Nutzung biometrischer Daten in Verbindung mit Videoüberwachung lehnen wir kategorisch ab. Für die bestehenden Anlagen – etwa am Bahnhof – fordern wir eine wissenschaftliche Evaluation und geeignete Kennzeichnung im öffentlichen Raum. (3)

SPD: Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Bremen und in Bremerhaven ist für die SPD-ein zentrales Anliegen. Unter Berücksichtigung der bürgerlichen Freiheitsrechte sehen wir das Instrument der Videoüberwachung als wichtiges und bereits erprobtes Instrument an, dass wir nutzen möchten, um potenzielle Täter abzuschrecken, Straftaten und Vandalismus zu verhindern und die – gefühlte und tatsächliche – Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern. Dazu wollen wir auf die Videoüberwachung nicht nur an festgestellten Gefahrenorten und im ÖPNV in Bussen und Bahnen zugreifen, sondern auch Haltestellen unter bestimmten Voraussetzungen mit einbeziehen. Biometrische Massenüberwachung im öffentlichen Raum etwa per automatisierter Live-Gesichtserkennung lehnen wir ab. (1)

Grüne: Die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen haben wir auf wenige Anwendungsfälle und klar definierte Voraussetzungen beschränkt. Wir wollen die bisherigen Einsätze von Videoüberwachung hinsichtlich Effektivität, Kostenaufwand und Verhältnismäßigkeit evaluieren und die geltenden Befugnisse überprüfen. Den Einsatz biometrischer Überwachungssysteme wird es mit uns nicht geben. (2)

6. Auf EU-Ebene wird gerade ein Gesetz zur „Chatkontrolle“ diskutiert. Welche Position vertritt ihre Partei bezüglich anlassloser Massenüberwachung von Chatinhalten? Und wie stehen Sie zu anderen Massenüberwachungsinstrumenten insbesondere der Vorratsdatenspeicherung?

Linke: DIE LINKE lehnt alle Formen der Massenüberwachung ab, denn sie greifen tief und unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürger*innen ein. Für solche Eingriffe bedarf es in einem Rechtsstaat einen überprüfbaren Anlass, der bei Maßnahmen der Massenüberwachung nicht gegeben ist. Die Instrumente erfüllen dabei meist nicht dem Zweck, für den sie eingeführt werden sollen. Wir lehnen die Chatkontrolle ebenso wie die Vorratsdatenspeicherung ab. (3)

SPD: Eine anlasslose Überwachung aller Menschen lehnen wir klar ab und sehen in diesem Zusammenhang die Überwachung auch verschlüsselter Online-Kommunikation und Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation entsprechend kritisch. (2)

Grüne: Sexueller Missbrauch an Kindern und seine Darstellung müssen sehr entschieden bekämpft werden – auch und gerade online. Dazu braucht es wirkungsvolle EU-weite Regelungen. Mit dem Vorschlag zur Chatkontrolle schießt die EU-Kommission aber übers Ziel hinaus. Durch das flächendeckende Scannen privater Kommunikation aller Bürger*innen mit Hilfe unausgereifter algorithmischer Systeme durch Private und den anschließenden Abgleich mit umfassenden Datenbanken wird das Recht auf die anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets offen in Frage gestellt, Verschlüsselung bewusst umgangen. Der Vorschlag legt somit die Axt an das Recht auf Vertraulichkeit der privaten Kommunikation und darf in dieser Form nicht beschlossen werden.
Auch Maßnahmen wie die anlasslose Vorratsdatenspeicherung lehnen wir ab. Wir streiten für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt sowie eine verhältnismäßige Strafverfolgung gewährleistet, statt die Bevölkerung mit pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht zu stellen. (3)

7. Wie 2021 bekannt wurde, speicherte die Polizei Bremen jahrelang personenbezogen Daten, die längst hätten gelöscht werden müssen. Zudem weigert sie sich, Auskünfte vollständig zu erteilen. Wie bewertet Ihre Partei dieses Verhalten und was planen Sie zur Wiederholungsverhütung?

Linke: Die Fraktion DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft hat den Datenskandal der Bremer Polizei eng begleitet und durch viele engmaschige Nachfragen zur Aufklärung beigetragen. Neben der Behebung der Datenschutzmängel fragen wir immer wieder auch das Datenschutzmanagement der Polizei ab, das weiterhin nicht den gesetzlichen Vorgaben genügt. Wir wollen ein klares Rechte-Management innerhalb der Polizei, das den Zugriff auf personenbezogene Daten eng an die Erfüllung von Aufgaben koppelt und die Datenverarbeitung protokolliert. Auch die Kontrollmöglichkeiten Betroffener wollen wir weiter stärken. Dazu gehört für uns, sogenannte Protokolldaten in die Auskünfte mit einzubeziehen. Personen- und Ermittlungsbezogene Hinweise werden inzwischen in Auskünfte einbezogen, auch dafür haben wir uns eingesetzt. (3)

SPD: Die Einhaltung der Datenschutzvorgaben hat in den Augen der SPD einen besonders hohen Stellenwert, da der Umgang mit personenbezogenen Daten den Kernbereich polizeilicher Aufgabenwahrnehmung betrifft. Die bei der Polizei inzwischen erfolgte Anpassung technischer- und organisatorischer Maßnahmen sowie die stetige Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeiter*innen in den Behörden des Polizeivollzugsdienstes dienen dem Schutz personenbezogener Daten, der Information sowie der Transparenz. Wir begrüßen es, dass nun gemäß dem aktuellen Lösch- und Verwaltungskonzept der Polizei die Daten zukünftig konsequenter gelöscht und gleichzeitig in enger Abstimmung mit der LfDI rechtssichere Prozesse zur Erteilung vollständigen Auskünfte etabliert werden. (1)

Grüne: Der Skandal hat große Missstände offengelegt. Die Polizei darf Datenschutz nicht als Hindernis begreifen, dem es auszuweichen gilt, sondern muss ihn als Unterstützung guter Polizeiarbeit für sich annehmen. Diesen notwendigen Bewusstseinswandel werden wir parlamentarisch intensiv begleiten und nachhalten. Mit der Novelle des Polizeigesetzes haben wir die Kontrollrechte und Anordnungsbefugnisse der Landesdatenschutzbeauftragten gegenüber der Polizei deutlich gestärkt und die bundesweit strengsten Datenschutzvorgaben normiert. Dies wird sich zunehmend bemerkbar machen. Wir werden bei der anstehenden Modernisierung der polizeilichen IT-Infrastruktur darauf achten, dass sie konsequent dem Grundsatz „Data Protection by Design“ folgt. Dazu gehören etwa automatisierte Datenlöschungen und Anonymisierungen nach Ablauf bestimmter Fristen, automatisierte Benachrichtigungen von Betroffenen und eine umfassende Protokollierung aller Datenverarbeitungsvorgänge, anhand derer Bürger*innen den rechtmäßigen Umgang mit den sie betreffenden Daten effektiv überprüfen können. (2)

8. Zuletzt wurden in einigen Bundesländern geheimgehaltene sogenannte „SKB-Dateien“ bekannt. Wie steht Ihre Partei zu intransparenten Polizeidatenbanken ohne Auskunftsmöglichkeit? Und wie bewerten Sie die umstrittene Datei „Gewalttäter Sport“?

Linke: Wir haben bereits in der Vergangenheit über verschiedene Anfragen sichergestellt, dass in Bremen keine SKB-Datenbanken geführt werden und werden dies weiter tun. Alle polizeilichen Datenbanken müssen in die Auskünfte über gespeicherte Daten eingehen. Die Datensammlung „Gewalttäter Sport“ ist de facto eine rechtlich fragwürdige Überwachungsdatei gegen Fußballfans, die Eintragung in diese Datei absolut willkürlich. Wir setzen uns für die Abschaffung dieser Sammlung ein. (3)

SPD: Wir wollen, dass Gewalttaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen effektiv verhindert und verfolgt werden. Personen, die Gewalt suchen, gehören nicht in Fußballstadien! Die Datei „Gewalttäter Sport“ folgt dem Ziel, gewalttätige Auseinandersetzungen und sonstige Straftaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen zu verhindern. Daher befürworten wir diese Datei auch grundsätzlich. Weitere, geheim gehaltene Datenbanken lehnen wir ab. Gleichzeitig ist uns eine gleichläufige Praxis bei der Speicherung von Dateien in allen Ländern ein Anliegen. Es müssen für alle klare und gleiche Vorgaben bezüglich der Aufnahme und des Herauslöschens der einzelnen Personen bestehen. (0)

Grüne: Intransparente Polizeidatenbanken ohne Auskunftsmöglichkeit sind ein Unding und wären nach den strengen Datenschutzvorgaben, die wir ins Bremische Polizeigesetz geschrieben haben, eindeutig rechtswidrig. Im Umgang mit der Datei „Gewalttäter Sport“ fordern wir GRÜNE seit langem Änderungen. Insbesondere dass Personen ohne konkreten Nachweis von Straftaten erfasst werden dürfen, halten wir für rechtsstaatlich bedenklich. Aufgrund unserer Initiative muss die Polizei in Bremen seit 2013 alle Betroffenen von Einträgen in der Datei „Gewalttäter Sport“ pro-aktiv benachrichtigen, seit 2020 ist diese Praxis auch gesetzlich fixiert.
Mit dem IT-Großprojekt P 20 planen die Polizeibehörden des Bundes und der Länder, die bisher getrennten Polizeidateien in den kommenden Jahren in ein „gemeinsames Datenhaus“ zu überführen. Hierin sehen Datenschutzbeauftragte eine große Gefahr für Zweckbindung und Transparenz der Datenverarbeitung. Wir werden dieses Projekt daher kritisch begleiten und auf die Einhaltung wichtiger Datenschutzstandards zum Schutz der Bürger*innenrechte pochen. (2)

9. Das Verhalten der Polizei auf Social-Media geht häufig über ihren informierenden Auftrag hinaus. Wie bewerten Sie es, dass die Polizei als beteiligter Akteur regelmäßig am öffentliche Diskurs teilnimmt und eine politische Deutung des Geschehens vornimmt?

Linke: Die Rechtsprechung hat den zulässigen Auftritt von Polizeibehörden auf sozialen Medien eigentlich hinreichend beschrieben und begrenzt, insbesondere was wertende Aussagen und Zuschreibungen anbelangt. Dennoch bewegen viele Posts, insbesondere während laufender Einsätze, eindeutig außerhalb dieses engen Rahmens. Wir sind für eine strikte Begrenzung auf tatsächlich für alle Bürger*innen relevanten Informationen, der Rest kann über die üblichen Pressewege erledigt werden. (3)

SPD: Die Polizei Bremen hat auf verschiedenen Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram und YouTube je einen Account. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die staatliche Öffentlichkeitsarbeit nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig. Die Öffentlichkeitsarbeit – und damit auch diejenige in den sozialen Medien – ist deshalb das Recht und die Pflicht auch der Polizeibehörden. Auch in den Sozialen Medien bleibt es das oberste Gebot, korrekt und sachlich zu informieren. Dabei muss polizeiliche Kommunikation selbstverständlich rechtsstaatlichen Standards genügen, die Grundrechte achten und mit der Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung vereinbar sein. Egal ob offline oder online – die Polizei darf sich weder politisch noch religiös positionieren. (1)

Grüne: Die Polizei bewegt sich auf Social-Media in einem Spannungsfeld. Zum einen erwarten Bürger*innen, dass die Polizei hier mit Informationen präsent und für sie ansprechbar ist. Zum anderen darf die Polizei nur objektiv richtige und sachliche Informationen veröffentlichen. Die journalistische Einordnung und politische Bewertung hat die Polizei den dazu berufenden Medien und Akteur*innen zu überlassen. Auch hat sie der Versuchung zu widerstehen, voreilige Einschätzungen abzugeben, ohne auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen. Dies gilt erst recht, wenn die Polizei in das Geschehen, über das sie berichtet, selbst involviert war.
Polizeiliche Präsenz in den sozialen Medien ist Ausfluss der digitalen Transformation aller Lebensbereiche. Im Umgang damit braucht unsere Gesellschaft kompetente Mediennutzer*innen. Wir unterstützen deshalb medienpädagogische Angebote und die Förderung der Digital- und Medienkompetenz für Menschen jeden Alters auch jenseits klassischer Bildungsinstitutionen. Das hilft auch bei der Einordnung von Posts und Tweets der Polizei. (1)

10. Welchen Sinn sehen Sie im Einsatz von Bodycams durch Polizeikräfte? Wie kann dem entgegnet werden, dass das Videomaterial nur gegen Bürgerinnen und Bürger eingesetzt wird und bei Fällen von Gewalt durch Polizist:innen oftmals Bodycams ausgeschaltet oder Videomaterial nicht auffindbar ist?

Linke: Wir sehen den Einsatz von Bodycams grundsätzlich skeptisch. Der erhoffte Vorteil bei der Kontrolle polizeilichen Handelns steht die Realität entgegen, dass ganz faktisch erstmal die Überwachung und Kontrolle der betroffenen Bürger*innen intensiviert wird. Auch ohne Missbrauch sind Bodycams daher ambivalent, weshalb wir diese beispielsweise bei Versammlungen ganz verbieten wollen. (3)

SPD: Die Verwendung von Body-Cams durch die Polizei setzt zwei hauptsächliche Ziele um, die wir als SPD begrüßen. Zunächst führt der Einsatz zu einer Reduzierung der Gewalt gegen Polizeibeamt*innen. Darüber hinaus wird auch angestrebt, eigenes Fehlverhalten wegen unangemessenen Verhaltens oder rechtswidriger Gewaltanwendung von Polizeibeamt*innen zu reduzieren. Wir sind deshalb der Meinung, dass Bodycams zur Standardausstattung einer modernen Polizei gehören müssen, um die Sicherheit der Polizeibeamt*innen, die täglich im Einsatz einem großen Risiko ausgesetzt sind, sicherzustellen und auch ihr eigenes Verhalten zu dokumentieren. (0)

Grüne: Bodycams dokumentieren Fehlverhalten und disziplinieren alle Beteiligten. Sie können sowohl die Polizei selbst vor Übergriffen schützen als auch polizeiliches Fehlverhalten reduzieren. Deshalb haben wir die Polizei in Bremen gesetzlich verpflichtet, die Aufzeichnung zu starten, wenn Betroffene dies wünschen oder die Polizist*innen Gewalt anwenden. Die Aufnahmen dürfen nicht gelöscht werden, bevor Betroffene Zeit hatten, sie einzusehen und ggf. Anzeige zu erstatten. Moderne Bodycams können auch automatisiert aufzeichnen, z. B. sobald eine Waffe gezogen wird oder die Streifenwagentür geöffnet wird. Da die Geräte technisch auf Beweissicherung ausgerichtet sind, lassen sich ihre Aufnahmen, anders als bei anderen von der Polizei genutzten Kameras, nicht unbemerkt löschen oder verändern. Ohne Videoaufzeichnung haben Betroffene von Polizeigewalt erfahrungsgemäß kaum eine Chance, das Geschehene vor Gericht glaubhaft zu machen, weil die Polizei einen gewissen Glaubwürdigkeitsbonus genießt. Bei richtiger Ausgestaltung sind Bodycams daher ein Gewinn gerade für die Bürger*innenrechte. (1)

Gesamtergebnis

Linke: 30 / 30 Punkten
SPD: 7 / 30 Punkten
Grüne: 21 / 30 Punkten