Gedächtnisprotokoll

Wann machen Gedächtnisprotokolle Sinn?

Grundsätzlich kann es sehr sinnvoll sein, möglichst zeitnah nach einer nicht gewollten Interaktion mit der Polizei ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen. Dazu zählen Ingewahrsamnahmen, übergriffiges Verhalten der Polizei – unabhängig davon ob, ihr dabei physisch verletzt werdet oder nicht – oder auch „Anquatschversuche“ von Polizei/SKB außerhalb des Spieltags. Auch falls ihr in Hausdurchsuchungen oder Polizeikessel geratet, macht ein Gedächtnisprotokoll grundsätzlich erstmal Sinn.

Warum machen Gedächtnisprotokolle Sinn?

Oftmals dauert es zwischen einem ungewollten Kontakt mit der Polizei oder SKB einige Zeit, bis ihr über ein Ermittlungsverfahren Bescheid wisst oder es zu einem Strafbefehl oder Gerichtsprozesskommt. Aber auch Betretungsverbote oder Stadionverbote können eine leidliche und ungewollte Folge der Interaktion mit Polizei/SKB sein. Gedächtnisprotokolle helfen euch, direkt nach dem Vorfall eine relativ authentische Beschreibung der Situation zu sichern. Für Überlegungen hinsichtlich einer Prozess- oder Verteidigungsstrategie kann dies später von großem Nutzen sein.

Als Beschuldigter hilft ein Gedächtnisprotokoll, damit du dich zusammen mit deinem Verteidiger oder deiner Verteidigerin bestmöglich gegen die Vorwürfe zur Wehr setzen kannst. Das Gedächtnisprotokoll hilft dir für deine Absprache mit der Anwältin oder dem Anwalt deines Vertrauens und euch gemeinsam bei der Entscheidung für die beste Verteidigungsstrategie.

Aber auch als (potentieller) Zeuge kann ein Gedächtnisprotokoll nützlich sein. Beobachtungen von außen können Betroffenen und ihren Anwält*innen ebenfalls bei der Verteidigung helfen. Hierbei musst du allerdings sichergehen, dass das Protokoll nicht in die falschen Hände gerät, da du ansonsten auch für die Strafverfolgungsbehörden als Zeuge interessant werden könntest. Die sichere Verwahrung und Übermittlung sind in einem solchen Fall sehr wichtig. Sofern du die betroffene Person kennst, kannst du ihr direkt das Protokoll zur Verfügung stellen oder dich alternativ vertrauensvoll an uns wenden.

Auch für Betroffene von (polizeilichen) Repressionsmaßnahmen können Gedächtnisprotokolle hilfreich sein, falls es zu einer rechtlichen Überprüfung der Repressionsmaßnahme (bspw. Polizeigewalt, Platzverweis oder Ingewahrsamnahme) kommt. Eine gerichtliche Überprüfung birgt dabei stets die Gefahr der Gegenanzeige, so dass ihr eine solche Überprüfung immer nur nach Absprache mit uns und/oder einer vertrauenswürdigen Anwältin oder eines vertrauenswürdigen Anwaltes anleiern solltet.

Wann fertige ich ein Gedächtnisprotokoll an?

Es ist sinnvoll, das Gedächtnisprotokoll innerhalb von 24 Stunden nach dem Vorfall zu verfassen. Dies gibt euch die Möglichkeit, eure Erinnerungen möglichst frisch und ohne Lücken niederzuschreiben.

Was schreibe ich in ein Gedächtnisprotokoll?

Ganz wichtig ist, dass ein Gedächtnisprotokoll niemals dich oder andere Personen auf deiner Seite belasten darf! In ein Protokoll gehören darüber hinaus ausschließlich Fakten. Schließlich soll es eine möglichst genaue, sachliche und detaillierte Beschreibung der Vorfälle enthalten. Das heißt im Umkehrschluss, dass Vermutungen oder Gerüchte in einem Gedächtnisprotokoll nichts verloren haben. Es kann natürlich schwierig sein, ein Ereignis angemessen, detailreich und präzise zu beschreiben, ohne dabei sich selbst oder jemand anderen zu belasten. Problematische einzelne Aspekte – welche Staatsanwaltschaft oder Polizei für ihre Zwecke nutzen könnten – sind im Zweifelsfall wegzulassen, anstatt sie zu beschönigen.

Ein gutes Gedächtnisprotokoll konzentriert sich auf folgende Fragen: Wer? Wann/wo? Was?

  • Das Gedächtnisprotokoll beginnt mit dem Namen des Verfassers oder der Verfasserin.
  • Als zweiter Schritt sollte das Datum und eine möglichst genaue Uhrzeit folgen. Ebenso sollte der Ort des Geschehens (Straße, Hausnummer, Kreuzung, Ampel, Straßenseite, Raum, Stehreihe, Gleisabschnitt) möglichst genau beschrieben werden.
  • Im Hauptteil sollte das Beobachtete und Erlebte so genau und detailliert wie möglich beschrieben werden. Dieser Teil ist natürlich je nach Fall unterschiedlich. Das könnte dann je nach Situation beispielsweise so aussehen:

„Mindestens zwei Polizisten kamen von der gegenüberliegenden Straßenseite auf mich zugerannt und fingen sofort ohne ein Wort an, mit Pfefferspray gezielt in mein Gesicht zu sprühen.“

„Mir haben sofort die Augen gebrannt. Kurz bevor ich nichts mehr richtig sehen konnte, habe ich noch wahrnehmen können, dass viele Menschen um mich herum auch angefangen haben zu husten.“

„Aus der Straße „Am Dobben“ kamen vier Polizisten mit ihrem Helm auf mich zugelaufen. Sie stießen mich sofort zu Boden und fesselten meine Hände mit Kabelbinder. Ein Polizist rammte mir sodann sein rechtes Knie in den Rücken und anschließend in die linke Bauchseite.“

  • Auf keinen Fall gehören strafbare Handlungen von dir selbst oder anderen Betroffenen der polizeilichen Maßnahme in das Gedächtnisprotokoll. Solltest du Widerstand gegen die Festnahme geleistet haben oder jemand versucht haben, dich zu befreien, gehören diese Dinge auf gar keinen Fall in dein Protokoll. Dies gefährdet nur dich selbst und andere. Dies gilt logischerweise auch für Heldentaten oder andere glorreiche Geschichten.
  • Es ist wichtig, nichts schlimmer oder beschönigend darzustellen, als es eventuell war. Falsche Angaben können sich ganz schnell als Boomerang erweisen und deutlich mehr schaden als nutzen. Im Zweifelsfall also belastende Inhalte weglassen und nicht beschönigen oder neu erfinden.
  • Da gerade Polizist*innen sehr schwer zu identifizieren sind, ist es wichtig, dass ihr so viele Details wie möglichst zu ihnen festhaltet. Trotz Uniformierung gibt es Möglichkeiten, einzelne individualisierbare Details aufzuschreiben, um ggf. doch noch eine nachträgliche Identifizierung zu ermöglichen. So haben viele Einheiten Nummern oder Markierungen auf Uniformen oder Helmen. Diese können ebenso wie Einsatzstöcke, Pfeffersprays oder Handschuhe in derselben Einheit erheblich unterschiedlich sein. Aber auch bspw. ein auffälliger Dialekt könnte bei der Identifizierung hilfreich sein.
  • Neben den besonderen Merkmalen uniformierter Polizist*innen solltet ihr natürlich auch immer die Details der allgemeinen Personenbeschreibungen beachten. Dazu gehören das zugeschriebene Geschlecht, die ungefähre Größe, Körperbau bzw. allgemeines Aussehen, Alter, Haarfarbe und -länge, Klamotten, Tattoos, Augenfarbe, ausgefallenen Friseuren, Narben, Verbände, sonstiger Körperschmuck, Brille oder einfach alles, womit die Person aus einer Masse heraussticht.
  • Auch Nebensächlichkeiten aus einem Gedächtnisprotokoll können für ein Verfahren wichtig sein. Es kann sinnvoll sein, das Wetter und die Lichtverhältnisse (also ob die Sonne schien, Regen, Schnee, sehr windig, Abenddämmerung, gute Beleuchtung) aufzuschreiben. Ob du es glaubst oder nicht – mit diesen Details können Anwält*innen manchmal eine Menge anfangen.
  • Wie schon gesagt gehört in ein Gedächtnisprotokoll ausschließlich der Name des Verfassers oder der Verfasserin – es sei denn natürlich, dass Ihr die Polizist*innen oder andere Angreifer*innen mit Namen identifizieren könnt. Andere Personen, die auch am Ort des Geschehens waren, gehören nicht namentlich erwähnt in eurem Protokoll.

Wo lagere ich mein Gedächtnisprotokoll?

Am besten und sichersten sind Gedächtnisprotokolle bei uns oder deinem Anwalt oder deiner Anwältin aufgehoben. Wir bewahren die Protokolle an sicheren Orten auf und geben sie nur nach Absprache mit dir an Anwält*innen weiter. Falls es neben dir noch weitere Betroffene eines Vorfalls gab, stellen wir nach Rücksprache mit Anwält*innen und allen Beteiligten – wenn es gewünscht und sinnvoll ist – auch eine Verbindung verschiedener Betroffener her. Falls das Protokoll zur Not – und wir raten davon ab – bei dir zu Hause aufbewahrt werden muss, solltest du folgende Sicherheitsvorkehrungen bedenken. Am besten ist das Gedächtnisprotokoll verschlüsselt (!) auf einem Computer gespeichert. Dabei solltest du stets darauf achten, dass das Protokoll selbst und ggf. direkt schon der Datei- oder Ordnername den Vermerk „nur für meinen Verteidiger“ enthält. Dies ist eine Schutzmaßnahme, damit die Polizei das Gedächtnisprotokoll nach Möglichkeit nicht verwerten kann. Für den Fall, dass du das Protokoll nicht elektronisch verschlüsselt speichern kannst – sondern in Papierform bei dir zu Hause hast – gilt das gleiche: stecke es in einen Umschlag, klebe ihn zu und schreibe deutlich darauf, dass der Umschlag nur für Deinen Verteidiger ist.Aus Sicherheitsgründen darf das Gedächtnisprotokoll niemals per Post, unverschlüsselter E-Mail oder Fax versendet werden. Am sichersten ist es, wenn du das Protokoll nach Möglichkeit persönlich abgibst. Entwürfe, Kopien oder sonstige Entsorgungen von Protokollen sollten immer geschreddert und niemals einfach so weggeworfen werden.