Aus, aus, aus, das Spiel ist aus! Die TSG Hoffenheim ist mit insgesamt 17 Punkten Deutscher Meister!
Moment mal, was? – Tja, so könnte das Ergebnis der Bundesliga aussehen, wenn Bundesligisten, wie vom Bremer Innensenator Ulrich Mäurer gefordert, demnächst mit Punktabzug bestraft würden, weil ihre Zuschauer*innen sich unerwünscht verhalten haben.
„Was?“, fragt ihr da, „seit wann bestimmt das Verhalten von Menschen, die nicht einmal beim Verein angestellt sind, über den sportlichen Erfolg eines Fußballclubs?“ Ja, genau so haben wir auch geguckt, als Ulrich Mäurer in seiner gewohnt populistischen Art einen „neuen Vorstoß“ wagte. Aber von vorne:
Am 18. Oktober 2024 werden sich die Innenminister*innen von Bund und Ländern zum sogenannten „Spitzengespräch“ mit DFB und DFL treffen, um mal wieder über eines ihrer Lieblingsfelder, den Fußball, zu diskutieren. Im Zentrum, wie so oft (wir können es nicht mehr hören), sogenannte „Fangewalt“, also faktisch die Kriminalisierung von Fußballfans, aber natürlich auch der Einsatz von Pyrotechnik. Wie vor so einem Gipfel üblich bringen verschiedene Politiker*innen sich bereits in Stellung. Immer ganz weit vorne mit dabei: Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der in Law-and-Order-Manier möglichst reißerische Maßnahmen fordert, um auch mal wieder in die Zeitung zu kommen und von anderen Baustellen, für die sein Ressort zuständig ist, abzulenken. Denn Fußballfans haben bekanntlich keine Lobby, auf deren Rücken kann man es sich gemütlich machen.
Da das Thema schon zur Genüge durchgekaut wurde, möchten wir uns als Fanhilfe kurz halten:
- Kollektivstrafen, das Bestrafen ganzer Gruppen für das individuelle Verhalten Einzelner, sind mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar und grundsätzlich abzulehnen.
- Der sportliche Erfolg eines Fußballvereins darf nicht über Verhalten von Personen bestimmt werden, die mit dem Spielgeschehen nichts zu tun haben.
- Bisher wird kritisiert, dass einzelne Personen, die Pyrotechnik zünden, nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, da sie nicht individuell identifizierbar sind. Wie aber soll dann zugeordnet werden, welchem Verein diese Person anhängt? Welchem der beiden spielenden Vereine sollen die Punkte abgezogen werden, wenn ein Rauchtopf gezündet wird? Es wäre ein Leichtes, sich als Fan eines konkurrierenden Vereins unter das Heimpublikum eines Gegners zu mischen, dort Pyrotechnik zu zünden und so dem gegnerischen Verein sportlich zu schaden.
- Mäurer bezieht seinen Vorschlag auch nicht etwa auf pyrotechnische Mittel wie laute Knallkörper, deren Einsatz im Stadion von den meisten Fanszenen ohnehin abgelehnt wird. Sondern er will offenbar generell den „Abbrand von Pyrotechnik“ mit Punktabzug sanktionieren, also auch zum Beispiel das Abbrennen von völlig legalen Seenotrettungsfackeln, deren Einsatz im Stadion nicht einmal strafbar ist (sondern nur ordnungswidrig).
- Wir prognostizieren darüber hinaus, dass Punktabzüge für das Abbrennen für Pyrotechnik viel eher zu einem Sicherheitsrisiko im Stadion führen würden als die Pyrotechnik selbst: Emotionalisierte Fans könnten Personen, die Pyrotechnik abbrennen, körperlich angehen, um das Abbrennen zu verhindern, und so im dicht gedrängten Fanblock ein tatsächliches Sicherheitsrisiko darstellen. Das angebliche Ziel der „Sicherheit“, das Innenminister*innen so gerne betonen, wäre damit ad absurdum geführt.
- Jede Person, die ein Fußballstadion betritt, wird bereits jetzt einer Körperkontrolle unterzogen. Mäurer behauptet, diese seien nicht ausreichend, um das Hereinbringen von Pyrotechnik zu verhindern, und meint, drohende Punktabzüge würden die Vereine zu schärferen Kontrollen veranlassen. Bereits jetzt finden jedoch immer wieder ausgesprochen unangemessene Körperkontrollen statt, die teilweise bis in den Intimbereich der Kontrollierten eindringen. Noch intensivere Kontrollen wären völlig unverhältnismäßig und würden überdies zu sehr langen Warteschlagen am Stadioneingang führen.
Ihr seht also, Mäurers „Vorstoß“ ist, wie zu erwarten, nichts anderes als maßloser Populismus. Weder ist er wirklich umsetzbar noch zielführend. Wir verbitten uns diese emotionalisierte Pseudo-Diskussion und fordern, dass die Innenministerkonferenz sich stattdessen um tatsächliche Probleme kümmert wie die unverhältnismäßig hohe Zahl von Polizeibeamt*innen bei Fußballspielen sowie die dringend nötige Abrüstung von Polizeien in Fußballstadien. Der Dachverband der Fanhilfen hat hierzu kürzlich ein Statement veröffentlicht, nachdem letztes Jahr ein Beamter einen Schuss aus seiner Waffe auf das Fahrzeug des Mönchengladbacher Fanprojekts abgegeben hat.