Akteneinsicht

Mit der Einleitung eines Strafverfahrens legt die zuständige Staatsanwaltschaft eine Ermittlungsakte an. In dieser werden alle Ermittlungsergebnisse vermerkt, wie zum Beispiel Beweismittel oder Zeug*innenaussagen. Damit Beschuldigte Kenntnis darüber erhalten, was und warum ihnen etwas vorgeworfen wird, haben sie das Recht auf Akteneinsicht. Die Akteneinsicht ist eines der wichtigsten Mittel für ein rechtsstaatliches Verfahren. Denn ohne einen gleichen Wissensstand ist keine effektive Verteidigung gegenüber den erhobenen Vorwürfen möglich. Darum gilt für Beschuldigte die Faustregel: Immer erst einmal Akteneinsicht nehmen. Erst wenn man die Akten kennt, kann man sinnvoll über die weitere Verteidigungsstrategie entscheiden, insbesondere ob es zielführend ist, eine Aussage zu machen. Umgekehrt bedeutet dies: Niemals eine Aussage machen, bevor nicht die Akteneinsicht erfolgt ist!

Die Akteneinsicht sollte am Besten euer anwaltlicher Beistand übernehmen. Wenn ihr Mitglied der Grün-Weißen Hilfe seid und euch vorab mit uns absprecht, werden euch die Anwaltskosten für die Akteneinsicht in der Regel erstattet. Alle guten Rechtsanwält*innen geben euch anschließend eine Kopie der Akte mit nach Hause.

Grundsätzlich ist die Akteneinsicht zwar auch ohne Verteidiger*in möglich, jedoch nur eingeschränkt: Euch wird dann evtl. nicht die komplette Akte ausgehändigt, sondern nur einzelne Auszüge daraus; oder die Einsicht in die Akte wird nur in Diensträumen der Staatsanwaltschaft oder der Polizei gewährt; unter bestimmten Umständen kann euch die Akteneinsicht vorübergehend ganz verweigert werden.

Wer (noch) kein Mitglied bei uns ist und sich auch keine*n Anwalt*Anwältin leisten kann oder will, kann die Aktensicht beispielsweise mit folgender Formulierung beantragen:

„Hiermit beantrage ich Akteneinsicht nach § 147 Abs. 4 StPO durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder, falls dies nicht möglich ist, durch kostenlose Übermittlung eines Datenträgers mit dem Inhalt der elektronischen Akten oder einer Aktenkopie.“

Diesen Satz kannst du zum Beispiel auf den Anhörungsbogen schreiben, den dir die Polizei zugeschickt hat. Spätestens wenn die Polizei ihre Ermittlungsergebnisse an die Staatsanwaltsschaft übermittelt, landet euer Antrag dort. Ob ihr die Akte dann in Papierform oder als PDF bekommt, hängt davon ab, wie weit die Digitalisierung bei der zuständigen Staatsanwaltschaft fortgeschritten ist.

Wichtig noch: Die Veröffentlichung von Dokumenten aus der Ermittlungsakte – die nicht bereits in einer Gerichtsverhandlung erörtert wurden – ist grundsätzlich strafbar. Die Weitergabe der Akte im privaten oder familiären Umfeld hingegen ist zwar ebenfalls verboten, kann aber nicht bestraft werden. Eine Weitergabe der Akte an Personen außerhalb eures privaten Umfelds kann als Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung von der*dem Landesdatenschutzbeauftragten mit Bußgeld geahndet werden.

Ein Recht auf Aktensicht besteht auch bei den meisten anderen behördlichen Verfahren, die sich gegen euch richten. Bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten oder bei Verfahren z. B. über Aufenthaltsverbote und Meldeauflagen könnt ihr bzw. euer anwaltlicher Beistand bei der zuständigen Verwaltungsbehörde (in Bremen meist das Ordnungsamt) Akteneinsicht verlangen. Nur gegenüber den Geheimdiensten wie insbesondere dem Verfassungsschutz besteht kein Recht auf Akteneinsicht; hier habt ihr aber ein (eingeschränktes) Recht auf Datenauskunft.